Wirkungsabschätzung

Seit vielen Jahren spielt Methodenentwicklung eine zentrale Rolle in der Forschung am ifeu. Im Auftrag zahlreicher Akteure, z.B. des Umweltbundesamts (UBA), sind wir kontinuierlich an der Entwicklung und Aktualisierung zentraler Instrumente wie der Ökobilanzmethodik (LCA) und der Treibhausgasbilanzierung beteiligt. Die Formulierung der ISO Normen für LCA wurde vom ifeu begleitet. Mit unseren Fachkenntnissen und unserem ausgeprägten Methodenwissen sind wir ein kompetenter Ansprechpartner in allen Bereichen. Im Zuge des Vorhabens des Umweltbundesamts (Prüfung und Aktualisierung der Ökobilanzen für Getränkeverpackungen. UBA-Texte 19/2016 ) wurden relevante europäische und internationale Aktivitäten, wie z. B. das ILCD Guidebook (International Reference Life Cycle Data System Guidebook (JRC 2011) entwickelt vom Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission) und der PEF (Product Environmental Footprint Guide der EU Kommission), bzgl. der neusten Entwicklungen in der Wirkungsabschätzungsmethodik analysiert und umfänglich im Kreis der Auftragnehmer sowie Ökobilanzexperten und den Fachabteilungen des Umweltbundesamts diskutiert. Die Wirkungsabschätzung als Methode dient der Beurteilung und dem tiefgreifenden Verständnis potentieller Umweltwirkungen von Produktsystemen über den gesamten Lebenszyklus hinweg (ISO 14040 und 14044). Die Auswahl der Wirkungskategorien sollte die relevanten Umweltwirkungen eines Systems möglichst vollständig und umfassend abbilden (ISO 14040 und ISO 14044). Aufgrund modellbedingter Unsicherheiten in den Charakterisierungsfaktoren sowie unzureichender Datenvollständigkeit, Datenqualität und Datensymmetrie auf Sachbilanzebene ist die Auswahl der verfügbaren Wirkungskategorien jedoch häufig eingeschränkt. Wirkungskategorien können sowohl über Midpoint als auch Endpoint Indikatoren abgebildet werden. Die Entwicklung von robusten linearen Wirkungsketten von den Sachbilanzdatensätzen zu Tertiärwirkungen (Endpoints) ist häufig nicht möglich und mit größeren Unsicherheiten in den Charakterisierungsfaktoren verbunden. Aus diesem Grund werden Midpoint-Indikatoren häufig bevorzugt angewandt. Die folgende Auflistung an methodischen Vorschlägen hinsichtlich Wirkungskategorien, Wirkungskategorie-Indikatoren und Charakterisierungsmodellen zeigt den derzeitige Stand der im Vorhaben des Umweltbundesamtes (UBA-Texte 19/2016) hergeleiteten Mindestanforderungen.

Kontakt

Mirjam Busch

Dipl.-Ing. (FH) für Ökologie und Umweltschutz
+49 (0)6221 4767 75
mirjam.busch@ifeu.de

Regine Vogt

Dipl.-Ing. für Technischen Umweltschutz
+49 (0)6221 4767 22
regine.vogt@ifeu.de

Emissionskategorien

Klimawandel

Die Wirkungskategorie Klimawandel steht für die direkten und indirekten Umweltwirkungen der anthropogenen Erwärmung der Erdatmosphäre. Die physikalische Grundlage hierfür bildet der sogenannte Treibhauseffekt. Die Emission anthropogener Treibhausgase führt zu einer Verstärkung des Strahlungsantriebs und zu einer unausgeglichenen Strahlungsbilanz der Erde. Als Wirkungskategorie-Indikator wird das vom IPCC entwickelten „Global Warming Potential“ (GWP) für den Zeithorizont von 100 Jahren (IPCC 2013), ausgedrückt in kg CO2-e/funktionelle Einheit, herangezogen.

Stratosphärischer Ozonabbau

Die Wirkungskategorie Stratosphärischer Ozonabbau adressiert den anthropogen verursachten Abbau der stratosphärischen Ozonschicht.  Die in der Stratosphäre vorhandenen Ozonmoleküle absorbieren kurzwellige UV-Strahlung. Wird das dynamischen Gleichgewichtes zwischen Bildung und Abbau von Ozon gestört, erhöht sich der Anteil an UV Strahlung an der Erdoberfläche. Diese kurzwellige Strahlung ist schädlich für natürliche Ressourcen und für die menschliche Gesundheit.

Als Wirkungskategorie-Indikator wird das von der World Meteorological Organization (WMO) entwickelte „Ozon Depletion Potential“ (ODP) (WMO 2011), ausgedrückt in kg CFC-11-e/funktionelle Einheit, herangezogen.

Photochemische Oxidantienbildung

Die Wirkungskategorie Photochemische Oxidantienbildung, auch Sommersmog oder „Los Angeles smog“ genannt, bezeichnet die photochemische Entstehung von Ozon und weiteren human- und ökotoxische Verbindungen (Photooxidantien). Die Bildung von Photooxidantien aus Stickstoffoxiden (NOx) und reaktiven flüchtigen Kohlenwasserstoffen (VOCs) wird u.a. durch Inversionswetterlagen und intensive Sonneneinstrahlung begünstigt.

Als Wirkungskategorie-Indikator wird das in den USA von William P.L. Carter entwickelte Konzept der Maximum Incremental Reactivity (MIR) vorgeschlagen, ausgedrückt kg O3-e /  funktionelle Einheit. Die MIRs finden in mehreren VOC-basierten Richtlinien des California Air Resources Board Anwendung. Die aktuellen Arbeiten von William P. L. Carter beinhalten Charakterisierungsfaktoren für einzelne VOCs, VOC-Summenparameter und NOx. Die Berechnung von MIRs (für organische Verbindungen) und NMIRs (für Stickoxide) basieren auf Randbedingungen, die eine maximale Ozonbildung begünstigen. Die neuesten Faktoren zur Anwendung u.a. in Ökobilanzen wurden in Carter (2010) veröffentlicht.

Versauerung

 

Die Wirkungskategorie Versauerung beschreibt die Veränderung des Säure-Base-Gleichgewichts aquatischer und terrestrischer Ökosysteme durch Emissionen von Säurebildnern und Säuren. Betroffen sind Pflanzen (z.B. Wurzelschäden, Blatt-/Nadelschäden), Tiere (z.B. Fische) und Ökosysteme insgesamt (z.B. erhöhte Auswaschung von Nährstoffen und Schwermetallen aus Böden). Als Wirkungskategorie-Indikator wird das Versauerungspotential nach Heijungs et al. (1992) in der Einheit SO2-Äquivalente/funktionelle Einheit vorgeschlagen.

Eutrophierung und Sauerstoffzehrung

Die Wirkungskategorie Eutrophierung und Sauerstoffzehrung beschreibt die übermäßige Zufuhr von Pflanzennährstoffen (anorganische Phosphor- und Stickstoffverbindungen, abgekürzt P und N) in Gewässer und Böden. Die primäre Konsequenz von erhöhter Nährstoffzufuhr ist ein verstärktes Pflanzenwachstum. Eine potentielle Überproduktion an Biomasse kann das Gleichgewicht von Nahrungsketten beeinflussen, was Konsequenzen für Tiere, Pflanzen und die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen zur Folge haben kann. Sowohl aquatische als auch terrestrische Ökosysteme werden auf unterschiedliche Weise durch Nährstoffeinträge beeinflusst. Gesteigerte Biomasseproduktion in terrestrischen Ökosystemen kann sich dauerhaft nachteilig auf die Verfügbarkeit von Wasser und anderen Elementen außer Stickstoff auswirken. So werden unter Umständen Arten, die auf nährstoffarme Bedingungen spezialisiert sind, verdrängt. Aquatische Ökosysteme werden in erster Linie durch die Überproduktion von Biomasse (Algenwachstum) gestört, was mit Sekundäreffekten wie Sauerstoffzehrung verbunden sein kann. Neben Phosphor- und Stickstoffverbindungen trägt auch der Eintrag von organischem Kohlenstoff zur Störung des Sauerstoffgehalts bei. Der Chemische Sauerstoffbedarf (CSB) wird als Maß für den Eintrag von organischem Kohlenstoff verwendet.

Als Wirkungskategorie-Indikatoren werden das terrestrische und das aquatische Eutrophierungspotential nach Heijungs et al. (1992) als kg PO43--e/funktionelle Einheit vorgeschlagen.

Zur Vereinfachung werden potentielle Einflüsse von atmosphärischem Stickstoffeintrag auf oligotrophe Gewässer in der Wirkungskategorie terrestrische Eutrophierung mitbetrachtet.

Toxische Schädigung von Menschen durch Feinstaub

Die Wirkungskategorie Feinstaub bezieht sich auf die Einflüsse von Partikeln mit einem aerodynamischen Durchmesser von 2,5 µm (PM 2.5). Es kann sich dabei um direkte Emissionen (Primärpartikel) handeln, oder um solche, die aus Vorläufersubstanzen wie NOx und SO2 entstehen (Sekundärpartikel). In epidemiologischen Untersuchungen wurde die Korrelation zwischen der Exposition mit Partikeln und Sterberaten durch Atemwegserkrankungen sowie gesundheitlichen Schädigungen nachgewiesen. Als Wirkungskategorie-Indikator wird das Aerosolbildungspotenzial (Aerosol Formation Potential, AFP) nach De Leeuw (2002) in der Einheit kg PM 2.5-e/funktionelle Einheit vorgeschlagen.

Ressourcenkategorien

Naturraumbeanspruchung

Um Flächennutzung und Biodiversität in Ökobilanzen auf der Wirkungsabschätzungsebene adressieren zu können, wurde das sogenannte Hemerobiekonzept weiterentwickelt (Fehrenbach et al. 2015). Das Grundkonzept der Hemerobieklassen wurde von Klöpffer und Renner (1995) im Rahmen eines UBA-Projekts entwickelt, in den folgenden Jahren am ifeu angewandt und weiter verfolgt. Naturnähe, als übergeordnetes Schutzgut, steht in Wechselbeziehung mit anderen Schutzgütern und damit zusammenhängenden Umweltschutzzielen (Struktur und Funktion von Ökosystemen, Biodiversität und verschiedenen Ökosystemdienstleistungen). Die Naturnähe bzw. Hemerobie ist als Midpoint Indikator zu verstehen, der explizit Auskunft über die Naturnähe einer Flächennutzung gibt, und indirekt Informationen zu Biodiversität (Artenanzahl, Anzahl von seltenen und bedrohten Arten, Strukturdiversität) und Bodenqualität (geringe Wirkung) liefert.

Die Zuordnung von Flächen erfolgt in sieben Hemerobieklassen: I) natürlich, II) naturnah, III) bedingt naturnah, IV) halbnatürlich, V) bedingt naturfern, VI) naturfern, VII) nicht-natürlich / künstlich. Der Hemerobieansatz ist für jede Flächennutzung in Ökobilanzen anwendbar. Die Zuordnung erfolgt sowohl für Wald- und Forstsysteme (Klasse II bis V) als auch für Agrarsysteme (Klasse III bis VI) nach differenziert ausgearbeiteten Kriterienkatalogen.

Die Wirkungskategorie Naturraumbeanspruchung wird nach (Fehrenbach et al. 2015) durch den Wirkungskategorie-Indikator Naturfernepotential (Distance-to-Nature Potential DNP) in der Einheit m2-e * 1a/funktionelle Einheit angeben. Das Naturfernepotential adressiert durch Okkupation (Nutzung von Land) hervorgerufene Wirkungen.

Ressourcenbeanspruchung

Unter der Wirkungskategorie Ressourcenbeanspruchung werden Energie- und Primärrohstoffe als Inputressourcen zusammengefasst. Die Identifizierung eines Schutzgutes, welches eindeutig ein Umweltproblem adressiert, stellt sich als schwierig dar. Die Zielsetzung der intra- und intergenerativen Gerechtigkeit ist für eine Nachhaltigkeitsbewertung zu begrüßen, würde konsequenterweise den Untersuchungsrahmen einer Ökobilanz allerdings um sozioökonomische Nachhaltigkeitskriterien erweitern. Die vorgeschlagene Methode von Giegrich et al. (2012) verfolgt deshalb einen Ansatz, in dem das Rechtsverständnis als Begründung des Schutzgutinteresses herangezogen wird. Da es bislang kein spezifisches Ressourcenschutzrecht in Deutschland gibt, wird in Giegrich et al. (2016) auf das Staatsziel des Schutzes der natürlichen Ressourcen (als natürliche Lebensgrundlagen) verwiesen. Zur Abbildung von Schadwirkungen für das Schutzziel „Erhalt von Primär- und Energierohstoffen“ wird der Indikator „Verlustgrad von Materialien bzw. Rohstoffen“ vorgeschlagen. Die teilweise noch zu definierenden Charakterisierungsfaktoren beschreiben die dissipative oder destruktive Rohstoffnutzung und damit den Verbrauch von Rohstoffen. Der Ansatz bezieht sich auf den Abbau von mineralischen Rohstoffen, Metallen, fossilen Brennstoffen und biotischen Ressourcen. Die Datenbasis ist der Kumulierte Rohstoffaufwand (KRA) in kg.