Ökologische Begleitforschung zum Flottenversuch Elektromobilität

Autor*innen: Hinrich Helms, Udo Lambrecht, Julius Jöhrens, Martin Pehnt, Axel Liebich, Uta Weiß, Claudia Kämper

Fahrzeuge mit einem (teil-)elektrischen Antrieb bieten durch ihren effizienten Antriebsstrang und die Rückgewinnung von Bremsenergie die Möglichkeit, sowohl den Endenergieverbrauch als auch die damit verbundenen CO2-Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren. Im Rahmen des Förderschwerpunkts „Elektromobilität“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) wurde daher von Volkswagen in den Jahren 2008-2012 das Plug-In-Konzept „TwinDrive“ entwickelt und über ein Jahr mit 20 Fahrzeugen getestet. Um die Umweltvorteile des TwinDrive und von Plug-In-Hybriden (PHEV) im Allgemeinen zu bewerten sowie die zukünftigen Umweltentlastungspotenziale von Elektromobilität in Deutschland zu ermitteln, führte das IFEU im Rahmen des Forschungsprojektes „Flottenversuch Elektromobilität“ eine ökologische Begleitforschung durch. Diese verfolgt einen ganzheitlichen ökobilanziellen Ansatz und bezieht demnach die Fahrzeugherstellung, -entsorgung sowie die komplette Energiebereitstellungskette in die Betrachtung ein. Bei heutigem deutschen Kraftstoff- und Strommix sind die nutzungsbedingten Klimavorteile des TwinDrive im Elektrobetrieb am größten. Hohe elektrische Fahranteile führen also zu insgesamt niedrigeren Emissionen, die über den Lebensweg auch die zusätzliche Kli-mawirkung der Herstellung von Batterie und Elektromotor kompensieren können. Gegen-über dem Referenzfahrzeug ergibt sich bei einer Lebensfahrleistung von 150.000 km und durchschnittlichem elektrischem Fahranteil des Flottenversuchs eine um etwa 5% niedrigere Klimawirkung pro Kilometer. Für Fahrer mit hohen elektrischen Fahranteilen (> 70%) beträgt der Vorteil über 10%, er kann sich jedoch bei besonders niedrigen elektrischen Fahranteilen auch umkehren (aufgrund der zusätzlichen Klimawirkung durch die Batterie-herstellung und das höhere Fahrzeuggewicht). Eindeutig positiv fällt die Bilanz bereits heute bei Nutzung zusätzlicher erneuerbarer Energien aus: Hier wird (bei durchschnittlichem Fahr- und Ladeverhalten) eine Reduzierung der Klimawirkung um über 30% erreicht. Für zukünftige PHEV-Serienfahrzeuge sind deutlichere Klimavorteile zu erwarten, vor allem aufgrund technischer Optimierungsmöglichkeiten, höherer Verfügbarkeit von Ladeinf-rastruktur (und damit größeren elektrischen Fahranteilen) und eines steigenden Anteils von erneuerbaren Energien im Strommix. Die Abhängigkeit der Umweltvorteile von der Ladeinfrastruktur und der elektrischen Reichweite der Fahrzeuge wurde dabei anhand von Beispielen untersucht. Auch wenn weiterhin nur zu Hause geladen werden kann, steigt durch die verbesserten Randbedingungen bis 2020 der Klimavorteil des betrachteten Serien-Plug-In-Hybrids gegenüber dem Otto-Referenzfahrzeug bereits bei einer niedrigen elektrischen Reichweite von 20 km auf 13% an. Insbesondere Verbesserungen der Batterieeigenschaften und -herstellung sowie der deutlich gestiegene Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Strommix spielen hierbei eine Rolle. Eine Erhöhung der elektrischen Reichweite auf 40 km sowie ein Ausbau der Ladeinfrastruktur können zu einem Klimavorteil von PHEV gegenüber Otto-Pkw um bis zu 25% führen. Um die Perspektiven der Elektromobilität in Deutschland für das Jahr 2030 zu beleuchten, wurden verschiedene Marktszenarien betrachtet, die im Rahmen des Projektes vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt abgeleitet worden waren: Im Szenario der moderaten Marktentwicklung steigt die Zahl aller Elektrofahrzeuge bis 2030 auf etwa 9 Millionen, im Szenario der forcierten Durchdringung sogar auf fast 22 Millionen Fahr-zeuge. Die Bestände wachsen dabei jedoch erst nach 2020 deutlich an. Einen Beitrag zur Luftreinhaltung können Elektrofahrzeuge daher nur begrenzt leisten, da in diesem Zeitraum auch beim Emissionsverhalten der verbrennungsmotorischen Fahrzeugflotte deutliche Verbesserungen erwartet werden. Entsprechend kommt es auch erst nach 2020 zu einer relevanten Reduktion des Endenergieverbrauchs und der CO2-Auspuffemissionen durch die Elektromobilität. Im Jahr 2030 würden dann aber die CO2-Emissionen am Fahrzeug bereits um 26% (moderate Marktentwicklung) und 40% (forcierte Durchdringung) niedriger liegen als im Referenzszenario ohne Elektrofahrzeuge. Der Rohölverbrauch in Deutschland sinkt mit Elektro-fahrzeugen entsprechend um 6,4 bzw. 10 Mt. Die Höhe des Beitrags zur Minderung der Treibhausgase im Straßenverkehr hängt dann entscheidend von der Art der Strombereit-stellung, also dem zukünftigen Kraftwerkspark, ab. Das Ziel der Entwicklung sollte die Versorgung von Elektroautos mit zusätzlichem Strom aus erneuerbaren Energieanlagen sein (siehe Abbildung „100% EE“ in der Abbildung). Hier sind die Vorteile gegenüber dem Referenzfahrzeug, auch bei ökobilanzieller Betrach-tung (also inklusive Fahrzeugherstellung), deutlich. Der für 2030 angenommene Plug-In-Hybrid liegt in der Klimawirkung etwa 45 % unter dem Otto-Referenzfahrzeug und immer noch etwa 35 % unter dem Diesel-Referenzfahrzeug. Bei hoher Marktdurchdringung müssen jedoch die Rückwirkungen der zusätzlichen Nach-frage durch Elektrofahrzeuge auf die Stromerzeugung betrachtet werden. Hierbei ist auch die Ladestrategie zu berücksichtigen: Werden die Fahrzeuge im Szenario der moderaten Marktentwicklung direkt nach dem letzten Weg des Tages geladen (Siehe Abbildung „Letzter Weg“), kommt es zu diesen Stunden vor allem zu einer höheren Auslastung von Gaskraftwerken. Ein Lastmanagement (siehe Abbildung „DSM“) kann demgegenüber die Integration von bisher überschüssigem erneuerbarem Strom verbessern und die Netzsta-bilität erhöhen. In der Treibhausgasbilanz bringt dies jedoch nur eine geringfügige Ver-besserung, weil gleichzeitig mehr Kohlekraftwerke mit niedrigen variablen Kosten zum Einsatz kommen. Bei niedrigeren CO2-Zertifikatspreisen (siehe Abbildung „DSM-45“) wirkt sich das Lastmanagement sogar deutlich negativ aus, da es dann wirtschaftlich attraktiv wird, ältere Braunkohlekraftwerke stärker auszulasten. Es zeigt sich also, dass ein Lastmanagement allein nicht ausreicht, um eine deutliche Treibhausminderung durch Elektrofahrzeuge im Verkehr zu erreichen. Vielmehr ist auch eine Kopplung von Elektrofahrzeugen an erneuerbare Energie anzustreben (z.B. „DSM+EE“ in der Abbildung). Dies kann einerseits durch Investitionen in zusätzliche er neuerbare Energien geschehen. Mögliche Akteure dafür sind entweder die Hersteller von Elektrofahrzeugen oder sogar die Fahrzeugkäufer. Andererseits ist auch der Bezug von Fahrstrom aus erneuerbaren Energien („Ökostrom“) möglich. Dabei gibt es jedoch erhebliche Schwierigkeiten, einen tatsächlichen Zubau der erneuerbaren Energien zu garantie-ren, so dass auch eine Beteiligung der Autohersteller an EEG-Strommengen sinnvoll sein kann. Ein Ansatz zur Durchsetzung einer Kopplung von Elektrofahrzeugen an erneuerbare Energien wäre, bestimmte Privilegien nur bei Nachweis einer solchen Kopplung zu gewähren. Dies ließe sich über eine Steuerbefreiung oder die Anrechnung der Elektrofahr-zeuge als Nullemissionsfahrzeuge im Rahmen der EU-Flottengrenzwerte realisieren. Obwohl Elektrofahrzeuge konzeptbedingt eine hohe Systemeffizienz aufweisen, muss zudem sichergestellt werden, dass vorhandene Potentiale zur Effizienzsteigerung in Zukunft auch genutzt werden. Durch die Fokussierung der aktuellen Effizienzbewertung auf die direkten CO2-Emissionen des Fahrzeugs werden die verschiedenen Antriebssysteme strukturell ungleich behandelt. Insbesondere Mischkonzepte wie Plug-In-Hybride können mit einer Effizienzbewertung anhand der Auspuffemissionen nicht sinnvoll erfasst und vergli-chen werden. Eine zukünftige Effizienzregulierung sollte insbesondere der Bedeutung und Varianz der elektrischen Fahrstreckenanteile Rechnung tragen. Insgesamt zeigen sich große Potenziale für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen des Verkehrs durch Plug-In-Hybride. Die konsequente Weiterentwicklung der Fahrzeuge und Batterien sowie eine Kopplung von Elektrofahrzeugen an regenerativ erzeugten Strom sind dafür jedoch notwendig. Hier müssen die politischen Weichen in den nächsten Jahren entschieden in Richtung einer mit erneuerbaren Energien gespeisten Elektromobi-lität gestellt werden.

Jahr

2013

Format

pdf

Publikationstyp

Forschungsbericht

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